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Die Zukunft der Kirche ist bunt – „Mixed Ecology Church“

Der Kirchenkreis Jülich hat in Hückelhoven einen Fachtag veranstaltet, zu dem an die 60 Menschen aus den 19 Gemeinden gekommen waren, um über die Zukunft der Kirche zu hören und zu reden.

Der Jülicher Superintendent Jens Sannig erinnerte in seiner Einladung an den kreiskirchlichen Zukunftsprozess „Über Mauern springen“: „Kirche ist unterwegs – und wir sind mittendrin. Längst wachsen ganz unterschiedliche Formen gemeindlichen Lebens nebeneinander und miteinander: Die Kirchengemeinde vor Ort, die Jugendkirche, Spirituelle Angebote mit Tier und in der Natur, neue Kooperationsräume, die Gewohntes aufbrechen durchbrechen. „Über Mauern springen“ eben. Gemeinden mit besonderem Profil, auch für andere. Der Beginn einer Kasualagentur für eine ganze Region. Neue Aufbrüche und viele andere Ausdrucksformen an vielen Stellen unserer Kirche. Innerhalb und außerhalb unseres Kirchenkreises. Diese Vielfalt nennen wir neu: „Mixed Ecology Church“. Wie in einem Ökosystem ganz verschiedenen Pflanzen und Bäume einen Lebensraum bilden, so geht es auch bei Mixed Ecology um ein gleichwertiges Miteinander von unterschiedlichen Formen gemeindlichen Lebens. Sie leben und prägen die Kirche in der Region und im Kirchenkreis auf ihre Weise und bringen ihr Herz und ihre Seele in das große Ganze ein.“

Katharina Haubold, Mitglied der Lenkungsgruppe des EKiR-Projektes „Mixed Ecology Church“, motivierte die Anwesenden zu einem lebhaften Austausch von Erfahrungen, Meinungen und Ideen.

Ihr biblischer Impuls zeigte die Richtung des Fachtages an:

“Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige!
Denn siehe, ich will ein Neues schaffen,
jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?
Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.”

(Jes 43,18-19)

Unter anderem führte sie aus: „Mich lassen diese Jahrtausende alte Worte vom Propheten Jesaja aufhorchen. Was, wenn das wahr wäre? Wenn es stimmt? Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Was, wenn diese Worte nicht nur Vergangenheit beschreiben, damals irgendwann, für Menschen, die sich nach neuen Zukünften sehnten, sondern was, wenn sie Gegenwart meinen? Nicht irgendwann, irgendwo, sondern jetzt – mitten in unseren Fragen, Plänen, in unserem fröhlich Kirche Gestalten genauso wie in den Überforderungen? Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Was, wenn es schon längst passiert? Mitten in unseren Debatten darüber, wie es weiter gehen kann? Im Ringen um Gemeindeentwicklung, Strukturen, Profile, Zuständigkeiten.“

Wir sind nicht allein in unserem Dienst – Gemeinschaft schenkt Kraft zum Aufbruch
Damit war der Ton vorgegeben: Bedenken vergessen und Ideen brüten. Ängste hinter sich lassen und fröhlich Herumspinnen. Die Zukunft der Kirche nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen.

In Zweier- und Gruppengesprächen ging es um Kraftquellen, Begeisterung die überspringt, neue Kraft gebende Impulse, Kirche als Kraftort für möglichst viele Menschen.

Entsprechend der Erkenntnis, dass die Bibel nicht nur Heilsorte sondern auch Heilswege kennt und davon erzählt, ist es entscheidend, sich auf den Weg zu machen, idealerweise als funktionierende Gemeinschaft, die den Aufbruch schafft.

 

Ökosystem Wald als Bild für gemeindliche Vielfalt: Diversität macht gesunden Wald aus
Zum gesunden Wald gehört Diversität. Gehören Tiere und Pflanzen, unterirdisches Wurzelwerk, Anbindung an Kraftquellen wie Sonne und Regen, Pilzgeflecht, Kommunikation, Totholz als Quelle neuen Lebens, Dynamik von Abschied und Neuanfang.

Eine lebendige Kirche muss so divers sein wie die Menschen, deren Vielfalt ernst zu nehmen ist. Die Vielfalt der Menschen ist ernst zu nehmen, alle Arbeitsbereiche und Gemeinden sind gleich bedeutsam.

Jede Pflanze und jeder Baum soll Raum haben, große und kleine, alte und junge Pflanzen.

Diese und viele andere Erkenntnisse müssen im Alltag der Kirche übersetzt werden in konkretes Denken, Planen und Handeln auch in Bezug auf Organisation und Strukturen. 

Neue Wege lohnen sich – konkretes Beispiel aus dem Kirchenkreis
Jessica Janssen, Kirchmeisterin und Prädikantin aus Randerath, berichtete von neuen Wegen der Kirchengemeinden Gangelt-Selfkant-Waldfeucht, Heinsberg, Hückelhoven, Randerath und Ratheim Gerderath. Aktuell noch als Kooperationsraum der fünf Gemeinden unterwegs sei das Ziel die Fusion zu einer Gemeinde. Die Bereitschaft der Beteiligten, Gaben und Ressourcen zu teilen, habe bereits große Schritte auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft ermöglicht. Das Bild vom Wald wird hier konkret. Erst viele Bäume bilden einen Wald. Und nicht in jedem Wald (in jeder Gemeinde) muss es alle Arten von Bäumen geben.

Natürlich gebe es Abschiede von Vertrautem, Gewohnten. Weil neues entstehe, sei die Trauer leichter zu ertragen, und es gebe neue Kraft.

Aus diesem konkreten Beispiel ergeben sich Impulse und Hinweise:

Was bringe ich/bringt meine gemeindliche Form in die Vielfalt ein? Warum gestalte ich Kirche? Wo liegen meine Gaben? Wie finde ich meinen Platz im Mischwald? Wie fördern wir diese Vielfalt? Wie schaffe ich es, „über Mauern zu springen“?

Und es stellen sich Aufgaben für die Arbeit, die Gestaltung vor Ort: Wir lernen, in größeren Einheiten zu denken. Wir verantworten Gelungenes miteinander, indem wir z.B. Erprobungsräume ermöglichen. Wir stellen fest, was abgestorben ist. Wir arbeiten jeweils vor Ort aber zugleich für alle über diesen Ort hinaus. Wir denken in größeren Verantwortungsbereichen. Wir fragen nicht, was wir verlieren, sondern sehen, was wir auf den neuen Wegen gewinnen. Wir fragen: Was gewinnen wir, wenn wir nicht mehr alles selber machen müssen?

Am Ende des Tages dankte Superintendent Sannig Katharina Haubold für die Gestaltung eines überaus lebendigen und fruchtbaren Weges durch den kirchlichen Mischwald. Und 60 Menschen nahmen gute Impulse, viele Fragen und vor allem viel Ermutigung mit in ihren gemeindlichen Alltag.

Pilger*innen auf verschiedenen Wegen zum gemeinsamen Treffpunkt – die Andacht
Pfarrerin Yara Hornfeck ist in ihrem Erprobungsraum mit Menschen und Tieren unterwegs. In Wald und Feld feiert sie Gottesdienste, führt seelsorgerliche Gespräche. Sie erreicht viele Menschen auf diesen besonderen naturnahen Wegen. Ihre Andacht zum Ende des Fachtages nahm die Anwesenden mit auf einen Weg in die Natur.

„Der Wald heißt euch willkommen und nimmt euch freundlich auf. Ihr atmet tief aus und wieder ein… Und taucht ab in die Welt des Waldes wie in eine andere Sphäre. Eine Welt ist das, in der ihr nicht die sogenannte Krone der Schöpfung seid. Nichts „Hervorragendes“. In der Welt des Waldes darf ich einfach ein Geschöpf unter vielen sein. Ich reihe mich nahtlos ein in den Kreis der Geschöpfe Gottes. Gemeinschaft mit den anderen Wesen entsteht – und Gemeinschaft mit dem, der da wirkt alles in allem.“

„Was in diesem Moment einzig zählt, ist das tiefe Wissen in meinem Herzen: Wir teilen uns alle EINEN Atem. Wir sind alle er füllt von EINEM Geist. Auf uns allen ruht der Segen desselben Gottes. Und jetzt, plötzlich, kann ich das Loblied hören, das jedes Lebewesen auf seine Art singt.“

„Uns alle „begeistert“ der EINE Geist des Lebens. Uns alle begeistert Gott. Nur dass unsere  Be-Geisterung eben auf unterschiedlichen Pfaden unterwegs ist. Saint-Exupery sagt es so: „Wir alle sind Pilger, die auf ganz verschiedenen Wegen einem gemeinsamen Treffpunkt zuwandern.“ Und mal ehrlich: Wie spannend wird es sein, zu schauen, welchen unterschiedlichen Menschen und Lebewesen wir auf all den verschiedenen Wegen begegnen werden. Toll, oder?“

© Text und Fotos: Johannes de Kleine, Kirchenkreis Jülich