In Oujda im südlichen Marokko werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen und betreut.
Der Leiter des Projekte „Vivre Espoir“ (Hoffnung leben), Dr. Azarias Lumbela, war in diesen Tagen zu Besuch im Kirchenkreis. Er sprach ein Grußwort bei der Tagung der Kreissynode in Düren. Und er berichtete in einer Zoom-Konferenz von der Arbeit in Marokko. Diesen Bericht geben wir nachtstehend wieder.
"Erlauben sie mir ihnen herzliche Grüße sowohl von meinem Team als auch von denen auszurichten, die den Nutzen aus dem Projekt ziehen
Ich danke ihnen, dass sie mir die Möglichkeit geben, ein wenig über das Projekt Vivre Espoir zu sprechen.
Vivre Espoir wurde 2017 geboren, ökumenisch getragen -katholisch und protestantisch- mit dem Ziel, die Migrationsfrage an der algerisch-marokkanischen Grenze im Kontext der sich fortwährend verändernden Migration menschlich zu gestalten. Das Projekt hat im Prinzip den Auftrag in Bezug auf unbegleitete minderjährige Migranten und Flüchtlinge: Aufnehmen, Schützen, Unterstützen und Integrieren.
Vivre Espoir besteht aus zwei sich ergänzenden Teilen.
I. Das Nothilfe- und Aufnahmeprogramm
Dies besteht darin, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die die vulnerabelsten sind, bei Behandlungen bei Krankheit und Verletzungen zu betreuen und ihnen ärztliche Hilfe zukommen zu lassen. Weiter geht es um die Notaufnahme von bis zu 100 Migranten pro Monat bei voller Verpflegung und Zurverfügungstellung einer Unterkunft.
Wir organisieren Begleitung aus der Ferne und finanzielle Hilfen für die Minderjährigen, die sich in einer anderen Stadt niederlassen möchten (Fahrtkostenbeteiligung, um in eine andere Stadt zu gelangen, Mietbeihilfen für den ersten Monat, Geld für Nahrung).
Individuelle Begleitung von Personen, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren wollen (Diskussion überangst in Bezug auf dei Rückkehr, Perspektiven etc.)
II. Integration
Das Projekt hat zum Ziel, den jungen Menschen Integration als Alternative zur Migration vorzuschlagen, um besser auf die Zukunft gerüstet zu sein. Das besteht zum einen aus der Alphabetisierung, aus Nachhilfestunden für die Schule und andererseits aus Unterstützung bei der beruflichen Ausbildung. Letzteres geschieht in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Zivilgesellschaft in Oujda und der Don-Bosco-Schule in der Stadt Kénitra. 10 Jugendliche pro Jahr können sich in Kénitra beruflich ausbilden lassen. Wir leisten die Aufnahme und die erzieherische Begleitung der Minderjährigen bei der Berufsausbildung, der Alphabetisierung und bei der Ausbildung auf ein schulisches Niveau.
Das Projekt Vivre Espoir macht in seiner Globalität deutlich, welche Aufgaben die christliche Gemeinschaft im Dienst an denen hat, die auf der Flucht sind, ohne Ansehen von Person, Nationalität oder Religion: Aufnahme, Orientierung, besonderes Augenmerk auf die Minderjährigen, Verpflegung, Versorgung mit Kleidung, Konsultation und Begleitung in medizinischen Fragen.
Zu Beginn des Projekts haben wir die Notaufnahme und die Begleitung der Berufsausbildung für vier junge Migranten garantiert. Die Anzahl wurde im Laufe der Zeit immer größer. Es wurde nicht nur ein Pionierprojekt, sondern es besetzt einen unersetzlichen Platz im Bereich Aufnahme, Schutz, Integration und für den Einsatz für die Rechte von Migranten.
Im Schnitt sind es 1.200 junge Menschen, die zu uns zur Kirche kommen. Allein von Januar bis Dezember 2023 hat unser Aufnahmeteam, das sieben Tage die Woche rund um die Uhr arbeitet, 1.212 Migranten aufgenommen; davon waren 935 Minderjährige und 813 Kranke.
Der Krieg im Sudan hat eine große humanitäre Krise hervorgerufen, die der Bevölkerung keine andere Wahl lässt, als die Heimat zu verlassen und Schutz zu suchen. Seit Dezember 2023 bis heute kommen enorm viele Sudanesen, darunter Frauen und Kinder in Marokko und bei uns an. Statistisch haben wir festgestellt, dass wir von Januar bis Oktober 2024 mehr als 2.829 Migranten, darunter 1.934 Sudanesen aufgenommen haben.
Das hatte einen großen Einfluss auf unsere Finanzen, vor allem im medizinischen Bereich, aber unser Augenmerk bleiben die Vulnerabelsten. Allein von April bis Oktober 2024 haben wir uns um 861 neue Patienten gekümmert. Diese kommen direkt von der Grenze.
Die Aufnahme der Kranken und die umfassenden notwendigen Untersuchungen in den öffentlichen marokkanischen Strukturen stellen das größte Problem dar. Es stellt sich immer als schwierig heraus, einen Zugang zum ärztlichen Notdienst zu bekommen und von diesem eine entsprechende Behandlung in einem Krankenhaus zu erhalten. Manche Patienten müssen mehr als 15 Tage warten, bevor sie einen chirurgischen Eingriff oder eine Aufnahme ins Krankenhaus erhalten. Ein Problem, mit dem wir immer wieder konfrontiert werden, besteht einerseits darin, dass die Kranken kein Aufenthaltsrecht und keinen Pass haben, und dass man sich andererseits nicht gerne um Migranten kümmert. Allerdings gibt es Notfälle, bei denen wir nicht mehr als 24 Stunden warten können, ohne dass eine Behandlung erfolgt; deshalb müssen wir in solchen Fällen private Strukturen nutzen, um eine angemessene und schnelle medizinische Hilfe zu bekommen.
Wir kümmern uns um die Migranten sofort, nachdem sie bei uns angekommen sind. Wir halten den physischen und psychischen Zustand des Kranken fest, identifizieren ggf. einen pathologischen (krankhaften) Zustand, um eine zuverlässige therapeutische Strategie zu erarbeiten.
Was den Bereich der Integration betrifft, gibt es zwei Konzepte, die eine unterschiedliche Wirkung auf die künftigen Lebensbedingungen der jungen Menschen hat.
Die Vorgehensweise in Oujda besteht aus einer kurz- bzw. mittelfristigen Unterstützung von einem Monat bis zu mehreren Monaten. Die Menschen können sich ausruhen und anschließend von Weiterbildungsmaßnahmen (Mathematik, Sprachen) bis maximal drei Monaten profitieren, je nachdem, was sie benötigen. Das bedeutet aber auch, dass überlegt wird, wie es mit ihnen weitergehen soll. Wenn der Zeitrahmen von drei Monaten überschritten wird, können sie auch in den Genuss einer beruflichen Ausbildung kommen, die in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, die vom marokkanischen Staat anerkannt sind,
Die jungen Migranten, die mehrere Monate von uns beherbergt werden und die Perspektiven in Marokko suchen, haben die Möglichkeit, die Berufsausbildungszentren zu besuchen.
Die andere Möglichkeit, die Ausbildung fortzusetzen, besteht im Bereich Elektrotechnik; das ist eine langfristige Ausbildung und wird in Kénitra zusammen mit der Don-Bosco- Schule durchgeführt, wie schon erwähnt.
Die Auswahl der Studenten erfolgt auf der Basis ihrer Leistung und den Erfahrungen mit ihrer bisherigen Ausbildung. Diese Ausbildung dauert ein bis drei Jahre und schließt mit einem in Marokko anerkannten Diplom ab, womit man sich offiziell bewerben oder als Selbstständiger arbeiten kann. Bei einer solchen offiziellen Anstellung kann der Betroffene seine Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen. Bisher haben wir keine Jugendlichen, die offiziell eingestellt wurden.
Wir sind überzeugt, dass dieses Projekt auch dazu beiträgt, Migranten als Menschen fortzuentwickeln. Denn neben der Ausbildung ergibt sich eine langfristige Lebensperspektive für die jungen Menschen, was heißt, wie ihr Leben morgen weitergehen kann. Etliche hatten bereits die Möglichkeit, den Zustand des illegalen Aufenthaltsstatus zu verlassen bzw. sie sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Diese Arbeit wäre ohne die uneingeschränkte Unterstützung durch den Kirchenkreis Jülich und seine Partner nicht möglich.
Das Projekt Vivre Espoir für die Begleitung der Migranten nimmt auch Frauen und Kinder auf. Von Juni bis Oktober 2024 waren es 40 Frauen und 23 Kinder.
Sobald Frauen zur Kirche kommen, werden sie registriert und den katholischen Schwestern übergeben, die in einem separaten Haus leben. Falls das Haus mit Frauen überfüllt sein sollte, werden manche Frauen in der Kirche, die zu unserer Einrichtung gehört, beherbergt, selbstverständlich in Räumen, die von den Räumen für Männer entfernt sind. Darüber hinaus dient das Haus neben der Beherbergung von Frauen auch der Kinderbetreuung."
Wir laden herzlich ein, sich mit Spenden an unserem Projekt „Vivre Espoir“ zu beteiligen.
Spendenkonto: Ev. Verwaltungsamt Jülich, KD-Bank, BIC: GENODED1DKD
IBAN: DE75 3506 0190 1010 1870 16
Kennwort: „Vivre Espoir“
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Übersetzung aus dem Französischen: Hans-Joachim Schwabe; Foto: Johannes de Kleine