In einer Sitzung des Partnerschaftsausschusses Marokko berichtete er über die aktuelle Situation der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Oujda – und insbesondere über einen Berg an Schwierigkeiten.
Hans-Joachim Schwabe hat die Informationen nachfolgend zusammengefasst.
- Das finanzielle Defizit, das wir im Projekt mit rund € 50.000 haben, wird größer werden. Ursache ist die katastrophale Situation im Sudan. Wir erleben wieder, dass jede Krise in Afrika sich unmittelbar - wenn auch etwas verzögert - sich auf die Flüchtlingszahlen in Marokko auswirkt.
- Unter normalen Umständen werden von Vivre Espoir jeweils so etwa 1.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge pro Jahr aufgenommen. Um überhaupt mit der Anzahl zurechtzukommen, hat Vivre Espoir die Aufnahmekriterien weiter verschärft. Trotzdem mussten vom 1.1.2024 bis 31.7.2024 1.526 Migranten aufgenommen werden, davon sind 1.032 Sudanesen. Das ist eine Steigerung um ca. 150%. Es gibt auch keine Alternativen. In der ganzen Region gibt es keine andere Organisation, die Migranten aufnimmt.
- Von Ende Dezember bis Ende Juli mussten mehr als 1.500 der Neuankömmlinge von unserem Arzt behandelt werden; 510 wurden im Krankenhaus operiert. Auch das ist eine dramatische Steigerung.
- Um Kosten einzusparen, hat sich das Projekt 1. von den beiden Hausvätern - einer für die Nothilfe, einer für die Integration - getrennt. Einer von beiden arbeitet jedoch stundenweise als Ehrenamtler weiter; 2. Wenn die Jugendlichen in eine andere Stadt in Marokko weiter reisen wollen, um sich dort niederzulassen, dann bekommen diese nicht die erste Miete und die Fahrtkosten bezahlt, sondern es wird hier sehr selektiv vorgegangen, um Kosten zu sparen; 3. Man hat sich aus Kostengründen von einem der Ärzte getrennt. Aufgrund des dramatischen Anstiegs der Krankheitsfälle mussten jedoch die Stunden des zweiten Arztes aufgestockt werden
- Azarias und die Verantwortlichen in Kénitra kümmern sich auch um die Legalisierung des Aufenthaltes der jungen Menschen. Zunächst wird versucht, einen Pass für die Betroffen zu bekommen, verbunden mit der Erklärung des Konsulats. Eine Aufenthaltserlaubnis bekommen sie meist erst am Ende ihrer Ausbildung, denn um überhaupt einen Antrag stellen zu können, muss man mindestens ein Jahr in Marokko gelebt haben. Meist gibt es nur dann eine Chance, wenn man eine abgeschlossene erfolgreiche Berufsausbildung nachweisen kann. In der Regel müssen die jungen Menschen in ihr Heimatland ausreisen und dann legal wieder zurückkommen. Die Kosten für den Flug übernimmt die Schule in Kénitra.
- In der Öffentlichkeit, aber auch von den Verwaltungen in Marokko wird die Fürsorge für die Menschen aus der Subsahara den beiden Kirchen zugeordnet. Die Moscheen kümmern sich um diese Menschen nicht, sondern nur um Migranten, die beispielsweise aus Syrien kommen.
Folgende Fakten sind eigentlich schon bekannt, aber ich wiederhole sie für alle Fälle in diesem Zusammenhang:
- Von den Jugendlichen, die im Rahmen der Integration in Kénitra ihre Ausbildung gemacht haben, hat keiner ein Interesse gehabt, weiter nach Europa zu fliehen. Sie sind entweder in Marokko geblieben oder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Ein toller Erfolg für das Projekt. Gerne würden wir das weiter ausbauen, um noch mehr Jugendlichen eine positive Perspektive geben zu können, aber dazu fehlt uns das Geld.
- Das Projekt haben wir nur am Leben halten können, weil wir in diesem Jahr einen Vorschuss von € 25.000 und € 22.000 gewährt haben, der uns jetzt natürlich im Haushalt 1.9. 2024 bis 31.8.2025 fehlt.
- Das Loch wäre noch größer, wenn es nicht Hilfen gäbe, die sich in den Zahlen jedoch nicht widerspiegeln. a) Die kath. Kirchengemeinde stellt uns das gesamte Gemeindezentrum inklusive der Kirche kostenlos zur Verfügung. b) Für den Unterhalt der drei Priester und der drei Nonnen kommt die Kirchengemeinde bzw. ihr Orden auf. c) Der katholische Orden finanziert die dringendsten Sanierungsarbeit im Gemeindezentrum d) Die Finanzierung der Aufnahme von bis zu fünf Frauen, die Opfer vom Menschenhandel geworden sind, erfolgt außerhalb des Projekts durch die Familien und Freunde der Nonnen.
Damit die Arbeit in Oujda weitergehen kann, braucht es dringend umfangreiche Finanzmittel
© Text: Hans-Joachim Schwabe, Kirchenkreis Jülich
© Foto: Johannes de Kleine, Kirchenkreis Jülich